Die Stille Macht der Lobbyisten in der Politik
Theaterstück der Berliner Compagnie widmet sich aktuellem Weltgeschehen
XANTEN. „Vor 50 Jahren hat Ludwig Erhardt Lobbyisten als ,Geschmeiß‘ tituliert“, erläutert einer der Akteure der Berliner Compagnie vor der Aufführung ihres Stücks „Stille Macht“ in der Xantener Mensa. Doch dieses negative Image wollten Lobbyisten nicht auf sich sitzen lassen. Sie verstehen sich selbst als „Interessenvertreter, Vermittler und Politikberater“. Wie sie sich unentbehrlich in politischen Entscheidungsprozessen machen, zeigt die 90 minütige Lobbyisten-Komödie.
Dr. Wolfgang Schneider begrüßte zuvor die 140 Zuschauer zum 7. Gaststspiel der Berliner Compagnie auf Einladung der Eine Welt Gruppe Xanten und
bedankte sich für die Unterstützung weiterer Organisationen. Er drückte die Hoffnung aus, dass das Stück wachrütteln solle, dass man nicht alles hinnehmen muss
und handelt, um Gerechtigkeit auch für die Armen dieser Welt zu erreichen.
Doch sieht man die Arbeitsweise der Lobbyagentur Utterly & Quiet, die ihre Mitarbeiter in Brüssel und Berlin einsetzt, so versteht man als Zuschauer schon schnell, warum das Stück „Stille Macht“ heißt. Egal ob die Lobbyisten in der
Waffen-, Tabak-oder Agroindustrie tätig sind, mitmischen beim Freihandelsabkommen TTIP oder ein weiteres mit Indien durchkämpfen möchten, ihre Methoden sind immer gleich: Sie betätigen sich im Auftrag der Industrie als Vordenker, als Statistiker, die voraussehen, was passiert, wenn ihre „gut“ durchdachten Vorschläge nicht realisiert werden. Dabei sind sie bestens vernetzt und ihre Stimme wird erhört, schließlich ziehen Politiker gerne „Gutachter“ zu Rate, bevor sie Entscheidungen treffen, um ihre Argumentation zu untermauern.
Das Publikum erlebt, wie Quentin (Rondo Beat), Gordon (H.G. Fries, Jan Ole (Jean-Theo Jost), Melissa (Angelika Warning), Roy (Dimo Wendt) und ihre kommissarische Chefin Estelle (Natascha Menzel) sich gegenseitig herausfordern, Situationen einer Talk-Show nachspielen, um auf allen Gegenargumenten die passende Antwort parat zu haben. Ein Beispiel: „Frag einfach: Wenn man Tiere nicht essen soll, warum sind sie dann aus Fleisch?“ Da fallen in der internen Schulung auch Sätze, wie „Warten wir lieber mit dem ,Freihandelsabkommen EU-Indien bis TTIP abgeschlosen ist. Dann sind Standards gesetzt, gegen die eh keiner mehr ankommt.“ Oder wenn wirklich einer Skrupel hat und äußert: „Und die indischen Händler, was werden die tun“ kommt die prompte Antwort: „Na wie die Bauern. Sich umbringen.“
Zimperlich sein ist nichts für Lobbyisten. Das muss auch „Professor“ Jan Ole lernen, der zwar ein hervorragender Wissenschaftler ist, aber als Lobbyist zu zögerlich. Er bekommt die zehn Gebote dieses Jobs beigebracht und auch den Tipp: „Wiederhole deine Wahrheit gebetsmühlenartig, dann wird sie wahr werden.“ Die Berliner Compagnie verspricht in ihrer Kommödie auch Musikeinlagen mit „Evergreens & Schmachtfetzen“ - wer glaubt, dass es sich um heitere Passagen handelt, wird belehrt. Wieder einmal zeigt die Theatergruppe, die 2009 den nationalen Aachener Friedenspreis erhielt, wie sie mit Schauspiel friedens- und entwicklungspolitische
Öffentlichkeitsarbeit schafft. Alle angesprochenen Themen können in einem Programmheft nachgelesen werden, wo interessierte „wachgerüttelte“ Zuschauer in Hausarbeit noch einmal nachlesen können, was die sechs Akteure pointiert auf die Bühne gebracht haben.
Lorelies Christian